Dass der ganze Auftritt von Anfang an eine märchenhafte, bezaubernde Reise in andere Sphären wird,
ist auch der genialen Lichtregie zu verdanken, die den Musikern und ihren Instrumenten folgt, die jeweiligen Ecken,
in denen das Geschehen spielt, mit warmem Licht flutet und wieder sanft zurücknimmt,
wenn die „Handlung“ woanders weitergeht.
Zuerst – Schweigen. Die Blätter der Kastanie bewegen sich sanft im lauen Abendwind. In die erwartungsvolle Stille hinein knarrt eine Tür, nein, ein Flügel des großen hölzernen Scheunentors, der sich bedächtig öffnet. Man hört einen feinen Ton, fast wie das melancholische Rufen eines Nachtvogels. Eine Rohrflöte ist das,
deren Klänge zitternd in das grüne Blätterdach aufsteigen.
Gemessen schreiten die Musiker aus der dunklen Scheune ins goldene Licht, auch der knirschende Kies unter ihren Schuhen ist eine Komponente dieses filigranen Klangbilds. Genauso wie die letzten Regentropfen, die aus der Baumkrone fallen. Als nächstes lassen die beiden Künstler die zahlreichen Glocken singen, die da an einer Stange aufgehängt und auf dem Boden verteilt sind. Der schwebende Klang scheint von allen Seiten zu kommen. Ab und zu
hört man geflüsterte und leise gesungene magische Worte, wohltuende Klänge, deren Inhalt man nicht versteht und auch nicht verstehen muss.
Im Lauf des Abends lernt das Publikum eine Unzahl von Musikwerkzeugen kennen, mit denen die beiden Künstler das
Hören zu einem neuen Ereignis werden lassen. Diese Musik nimmt einen mit auf eine Reise ins eigene Innere.
Doch auch Humor hat seinen Platz im Klangraum Baum. Nachdem das hölzerne Scheunentor eine weitere Episode des theatralischen Knarrens von sich gegeben und seine Flügel weit geöffnet hat, wird aus dem Hintergrund ein Bollerwagen gezogen, in dem sich ein ganzes Arsenal an Klangspielzeug befindet und das die beiden mit sichtlichem Spaß ausprobieren. Ein pantomimisch untermaltes Duell mit Rasseln und Klappern ist lustig anzusehen und zu hören
und erinnert daran, dass „concertare“ ursprünglich einmal „streiten“ bedeutet hat.
Dann klemmt sich Kutterer eine Bechertrommel unter den Arm und strichelt einen feinen Rhythmus, während Wachter mit dem Hang eine sehnsüchtig-romantische Melodie aufblühen lässt. Aus welchem Land kommt sie? Aus welchem Jahrhundert? Eine universelle Sprache, die sofort den Weg ins Herz findet. Man kann auch auf einem Bogen Musik machen, dessen „Sehne“ zwei gespannte Drähte sind, die Kutterer mit so etwas wie einem Mikro- Geigenbogen anstreicht und klopft. Das ganze bunt bemalte Gebilde, das aus einem natürlichen Ast gemacht zu sein scheint,
hat noch eine knollenförmige Ausbuchtung als Resonanzkörper. Musik und Rhythmus stecken in jedem Material. Erst als das Licht ausgeht und der Hof im Dunkel liegt, kommt man wieder in die Gegenwart zurück. Der Beifall ist emphatisch. Dafür gibt es dann noch eine humorvolle Zugabe mit zwei zischenden und fauchenden
Gongs, die sich die Musiker zwischen die Knie geklemmt haben.
Weiler Zeitung, 17.08.2020 Dorothee Philipp
Fotos Natascha Walter
Tilo Wachter | ETAGE ZWEI
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Mobil: 0160 41 85 83 5
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